Wirkung Neuronen und Akupunktur

Wie arbeiten Neuronen und Akupunktur zusammen? Scheinbar handelt es sich um zwei verschiedene Themen. Zählt doch Akupunktur zu den alternativen Naturheilverfahren und war lange Zeit umstritten. Das Wissen um Neuronen bezieht sich auf Vorgänge im Gehirn oder Rückenmark und wenig interessant für die Mehrheit der Bevölkerung.

Welche Funktionen haben Neuronen?

Nervenzellen reagieren auf Reize und geben Impulse. Sie sind zuständig für die Kommunikation im menschlichen Organismus.

Neuronen senden oder erhalten Botschaften von anderen Neuronen, mit denen sie über Axone verbunden sind.

Wenn ein Neuron verschiedene eingehende Signale über die Dendriten empfängt, gerät es in einen Erregungszustand und wird sich entscheiden (oder auch nicht), selbst einen elektrischen Impuls (Information)abzugeben, die es über sein Axon an andere Neuronen weiterleitet.

Manche Neuronen senden beständig Impulse aus, andere Neuronen reagieren erst, wenn sie mehr als 100 gleichzeitig eingehende Impulse erhalten.

Dieses System hat also alle Raffinessen, die man sich nur vorstellen kann. Das menschliche Gehirn enthält über 100 Milliarden Neuronen, die über 100 Billionen Verknüpfungen eingehen.

In Neuronen werden kleine Informationsdetails gespeichert.

Einst glaubte man, daß jedes Neuron eine ganze  Erfahrung komplett gespeichert hätte. Inzwischen sieht man ein Neuron als Teil von «integrierten Schaltkreisen», die gemeinsam eine Struktur bilden.

Wie wirkt die Akupunktur?

Die Ursprünge der Akupunktur liegen im alten China. Wo bereits einige Jahrtausende vor der christlichen Zeitrechnung mit spitzen Gegenständen aus Knochen, Bambus, Stein und Metall eine Therapiemethode entwickelt wurde.

Der die Beobachtung zugrunde lag, daß mittels Reizung spezifischer Hautstellen mit diesen Werkzeugen eine therapeutische Wirkung erzielt werden konnte.

Diese Beobachtungen von spezifisch reagiblen und reaktiven Stellen an der Körperoberfläche, wurden zu einem geschlossenen therapeutischen System verdichtet, daß alles von der Krankheitsentstehung über die Diagnostik bis hin zur Therapie beinhaltet.

Was passiert genau?

Die Bildung von Endorphinen (körpereigenen morphinartigen Substanzen) und Neurotransmittern (Nervenüberträgersubstanzen). Diese Substanzen sind sowohl für die schmerzstillende Wirkung, als auch für die psychisch entspannende und ausgleichende Wirkung verantwortlich.

Nervale Schmerzkontrolle: Durch die Stimulation von Akupunkturpunkten werden Schmerzkontrollmechanismen aktiviert ( Gate-Control-Theorie).

Reflexwirkung : Ebenso wie krankhafte Veränderungen an inneren Organen zu Erscheinungen an der Körperoberfläche führen (schmerzhafte Verspannungen der Muskulatur, Durchblutungsveränderungen).

Es kann dieser Weg therapeutisch auch umgekehrt beschritten werden durch die Reizung der Haut-und Muskelareale, die die demselben Segment zugehörigen Organe beeinflussen (Head´sche Zone).

Die regulatorische bioelektrische Wirkung der Akupunktur: Jede Zelle des Körpers steht mit jeder anderen durch die Zwischenzellsubstanz in Verbindung.

Deren molekulare Strukturen übernehmen eine Schlüsselrolle in der Informationsübertragung und im Abwehrgeschehen.

Das bedeutet, dass ein Nadelstich an spezifischer Stelle eine Wirkung auf entfernt liegende Areale ausübt. ( System der Grundregulation nach Prof. Pischinger)

Die Langzeitwirkung der Akupunktur lässt sich durch spezielle synaptische Mechanismen von spinalen Neuronen und die modulierende Beteiligung des limbischen Systems erklären.

Wie ist die neuronale Reaktion im Gehirn?

Die Nadelung erhöht signifikant die Hirnaktivität in verschiedenen Hirnarealen wie z. B. dem dorsolateralen Präfrontalkortex, im rostralen Teil des vorderen Cingulum und im Mittelhirn – mithin in Gebieten, die wichtige Zentren für die Schmerzmodulation enthalten.

Bereits in den 70ern bestätigten viele Studien Vermutungen, denen zufolge die Akupunkturwirkung an eine Freisetzung von Substanzen aus Nervenzellen und an eine Aktivierung der Blutzirkulation gebunden ist.

Akupunktur ist objektiv im Gehirn messbar. Chinesische Forscher stellten erneut unter Beweis, dass auch die Wirksamkeit traditioneller Heiltechniken mit objektiven Messverfahren nachgewiesen werden kann.

Heute verfügt die Forschung über Methoden, die Körpervorgänge nahezu in Echtzeit sichtbar machen: Ganz vorn steht die funktionelle Magnetresonanz- oder Kernspintomografie (fMRT).

Test an zwei der meistgenutzten Punkte

Es wurden zwei der am häufigsten verwendeten sogenannten Meridianpunkte: Di 4 an der Hand und Le 3 am Fuß gereizt. Beide dienen traditionell u.a. zur Behandlung von Augenleiden, Schmerzen und Ängsten.

Außerdem reizten sie zwei Nicht-Akupunkturpunkte (Sham-Punkte) jeweils 10 mm vom benachbarten Echtpunkt entfernt.

Damit ist erreicht, dass Echt- und Sham-Punkt von Hautnerven aus demselben Rückenmarksegment versorgt werden.

37 gesunde Freiwillige, im Schnitt knapp 27 Jahren alt, nahmen an der Vergleichsstudie teil. Die Testpersonen waren verblindet, wussten also nicht, ob sie tatsächlich oder nur scheinbehandelt wurden.

Mit dem fMRT registrierten die Forscher die aktuellen Hirnaktivitäten anhand des sich ändernden Sauerstoffgehaltes im dort fließenden Blut.

Sie begannen mit diesen sogenannten Scans vor der Therapie und führten sie bis weit über das Ende hinaus fort. Mit diesem Verfahren können auch in sehr kleinen Gewebeabschnitten noch Aktivitätsänderungen sicher nachgewiesen werden.

Nur einer der Wissenschaftler führte bei allen Testpersonen die eigentliche Behandlung durch.

Die Stimulation der Akupunkturpunkte sorgte – im Vergleich zu den korrespondierenden Sham-Punkten – für deutliche Aktivitätsänderungen in beiden Richtungen und in jeweils spezifischen Hirnregionen.

Darüber hinaus überwog bei Stimulation an Di 4 die Anzahl deaktivierter, an Le 3 die aktivierter Zonen.

Dieses Ergebnis erhärtet auch die TCM-Theorie, der zufolge viele verschiedene Punkte zur Therapie vieler Störungen verwendet werden können.

Einige Hirnareale zeigten sich sowohl durch die echte als auch die vorgetäuschte Nadelung gleichermaßen aktiviert oder deaktiviert.

Jedes dieser Kortexareale enthält wichtige Schnittstellen für die Somatosensotorik – und damit für Schmerzen – oder für emotionale Empfindungen.

Die Wissenschaftler sehen in den identischen Aktivitäten bei tatsächlicher und vorgetäuschter Akupunktur eine Möglichkeit, künftig die Einflüsse von Störgrößen wie Schmerzen, Ängsten und Depressionen zu quantifizieren.

Ähnelt eine Reaktion von Nicht-Akupunkturpunkten nicht einem Placebo-Effekt?

Die Wirkung von Akupunktur hat nichts, aber auch gar nichts mit Suggestion oder einem „Placebo-Effekt“ zu tun.

Kommt eine Studie zu solch einem Ergebnis, d.h. zeigt ein Nicht-Akupunktur-Punkt keinen signifikanten Unterschied zu einer korrekt durchgeführte Akupunkturbehandlung, dann wäre das nur Grund zu weiteren Studien, da der gesamte menschliche Organismus in seiner Gesamtheit und Komplexität noch längst nicht erforscht ist.

Die Akupunktur darf aber deswegen nicht in Frage gestellt werden.

Was unterscheidet die Ganz-Körper-Akupunktur von der Aurikuloakupunktur?

Wie funktioniert die Aurikulomedizin oder auch Ohrakupunktur genannt?

Die Ohrakupunktur passiert auf demselben Prinzip. Die Ohrakupunktur dient gezielter der Schmerztherapie.

Neuropathische Schmerzen z. B. lassen sich mit Ohrakupunktur deutlich mindern. Die Schmerzintensität kann um ein Drittel gesenkt werden, so das Fazit einer französischen Studie.

Der Erfolg der Akupunktur gerade in der Schmerztherapie ist also nachgewiesen?

Ja, mehrmals und doch bleiben viele Fragen.

Welche Fragen? Die Forschungen im Bereich der chronischen Schmerzen. Die Wahrnehmung von Schmerz  an sich ist ein Warnsystem, ohne das wir nicht überleben könnten.

Dank dieser Sinnesqualität entziehen wir uns gefährlichen Einwirkungen, die sonst zu Verletzungen und Gewebeschädigungen führten.

Doch trifft das bei chronischen Schmerzen nicht mehr zu. Zwar werden auch solche permanenten Schmerzzustände meistens durch konkrete Schädigungen ausgelöst.

Doch steht ihre Stärke oft in keinem Verhältnis zu den anfänglichen Ursachen. Sie können andauern, auch wenn das auslösende Leiden längst behoben ist.

Chronische Schmerzen gelten heute zwar als eigenständiges Krankheitsbild, doch durchlaufen viele Patienten mit chronischen Schmerzen eine zermürbende Odyssee von Arzt zu Arzt, wenn man keinen organischen Defekt findet.

Handelt es sich nicht um eingebildete Kranke?

Nein, den im Nervensystem sind plastische Veränderungen beteiligt.

Zumindest teilweise beruhen sie auf einer krankhaft veränderten neuronalen Signalübertragung, die Schmerzsignale verstärkt und verzerrt.

Diese Sensibilisierung wurde bisher vor allem auf der Ebene der peripheren Schmerzrezeptoren und des Rückenmarks untersucht, doch vermutet man entsprechende Vorgänge auch im Gehirn.

Wo entsteht die Sinneswahrnehmung Schmerz?

Die Sinneswahrnehmung Schmerz entsteht erst im Gehirn. Hier werden die eintreffenden Signale bewertet – ein Vorgang, der je nach persönlicher Lebenssituation und kulturellem Hintergrund sehr unterschiedlich ausfallen kann.

Ein Spitzensportler, der unbedingt siegen will, ist eher in der Lage, eine schmerzhafte Verletzung wegzustecken, als ein Mensch, der den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzt.

Was heisst „Schmerzgedächtnis“?

Bei der Chronifizierung wirken zumeist physische, psychische und soziale Faktoren zusammen.

Unabhängig davon, ob ein Tumor oder eine andere chronische Erkrankung die Pein verursacht, oder ob die Angst vor Arbeitsplatzverlust die Rückenmuskulatur in schmerzhafte Dauerspannung versetzt – chronischer Schmerz verändert das Zentralnervensystem auf allen Ebenen, verändert Körper und Psyche.

Die Chronifizierung führt zur Ausbildung eines so genannten «Schmerzgedächtnisses» – Gehirn und Nerven haben «gelernt», auf Signale, selbst wenn diese schwach und von gesunden Menschen als nicht schmerzhaft empfunden werden, besonders empfindlich und intensiv zu reagieren.

Schleudertrauma-Patienten z. B. haben eine objektivierbar erhöhte Schmerzempfindlichkeit nicht nur in der Halswirbelsäule, sondern auch im Bein, wo keine Verletzung stattgefunden hat.

Diese erhöhte Schmerzempfindlichkeit könnte aber wieder abklingen, wenn das Schmerzsignal aus dem verletzten Gewebe ausgeschaltet wird.

Was kann getan werden?

Wenn es also bleibende Spuren im Nervensystem sind, die vielen chronischen Schmerzzuständen zugrunde liegen, sollte man deren Entstehung wenn immer möglich von vornherein verhindern, indem man starke akute Schmerzen konsequent mit Medikamenten bekämpft und ihre Ursache so rasch wie möglich beseitigt.

Denn schon nach wenigen Monaten können sich die Schmerzen verselbständigen.

Wer meint, starke Schmerzen tapfer ertragen zu müssen, liegt also falsch. In Fachkreisen gilt heute die ungenügende Schmerzbehandlung schon fast als Kunstfehler.

Was aber ist zu tun, wenn sich die Schmerzen als unaufhaltsame Pein bereits verselbständigt haben?

Zwar lässt sich das Schmerzgedächtnis nur sehr schwer wieder löschen, doch ist man gegen diesen Zustand nicht völlig machtlos.

Moderne Therapiekonzepte beschränken sich nicht auf den Einsatz von Medikamenten, sondern schliessen neben rein körperlichen Vorgängen auch weitere Faktoren ein, die bei der Schmerzkrankheit eine wichtige Rolle spielen können.

Dass zum Beispiel laut einer neueren Studie ältere Menschen besser mit chronischen Schmerzen fertig werden als junge, deutet darauf hin, dass die Lebenserfahrung und Lebenssituation – etwa weniger Stress in Beruf und Familie – die Schmerzwahrnehmung beeinflussen.

Zudem werden Schmerzen je nach seelischem Zustand unterschiedlich erlebt: Depressiv veranlagte und ängstliche Menschen leiden in besonderem Masse, doch können chronische Schmerzen umgekehrt auch zu Depressionen führen.

Wie steht es mit physiotherapeutischen Massnahmen? Auch der Nutzen von physiotherapeutischen Massnahmen und körperlichem Training ist unbestritten. Beide haben zum Ziel, Schmerzpatienten aus ihrem Schonverhalten hinauszuführen, das ihre Beweglichkeit einschränkt und damit ihre Leiden nur noch verschlimmert.

Kann auch direkt eingegriffen werden?

Direkt in die gestörte Schmerz-Signalübertragung einzugreifen versucht man mit Hilfe sogenannter Gegenirritationsverfahren.

Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (Tens) werden die schmerzhaften Areale über Hautelektroden elektrisch gereizt und damit – so die Theorie – Nervenbahnen aktiviert, die die Schmerzübertragung hemmen.

Obwohl die Wirksamkeit dieser Methode wissenschaftlich schwer zu beweisen ist, scheint sie vielen Patienten zumindest vorübergehend zu helfen. Ähnliche Wirkungen erhält man mit der Akupunktur.

Könnte auch aus Psychotherapeutischer Richtung Hilfe kommen?

Das Zusammenleben macht das Gehirn zu dem, was es ist: Gedächtnis, Erinnerung, Erfahrung.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Stressforschung ist, dass gute zwischenmenschliche Beziehungen nicht nur im Gehirn abgebildet und gespeichert werden, sondern dass sie die am besten wirksame und völlig nebenwirkungsfreie ‹Droge› gegen seelischen und körperlichen Stress darstellen.

Auf dieser Basis  lässt sich eine Therapie auf alle Fälle unterstützen.

Zwischenmenschliche Beziehungen können heilen?

Zwischenmenschliche Beziehungen wirken massiv in uns hinein und nicht nur die „Seele“, sondern auch Gene, neurobiologische und körperliche Strukturen des Organismus beeinflussen, ist es nicht überraschend, dass die Heilung für Körper und Seele ebenfalls in der zwischenmenschlichen Beziehung stattfindet.

Und wenn die Erfahrungen in der zwischenmenschlichen Beziehung einen prägenden Einfluss auf seelische und neurobiologische Strukturen haben.

Dann müsste Psychotherapie bei Personen mit seelischen Gesundheitsstörungen nicht nur zu einer Beseitigung der seelischen Probleme, sondern auch zu neurobiologischen Veränderungen führen.

Dazu liegen in neuerer Zeit faszinierende wissenschaftliche Daten vor. Die Auswirkungen von Psychotherapie konnten mit Hilfe bildgebender Verfahren neurobiologisch sichtbar gemacht werden.

Man konnte zeigen, dass Psychotherapie dazu führen kann, dass sich neurobiologische Veränderungen, die sich begleitend zu einer seelischen Gesundheitsstörung entwickelt haben, wieder zurückbilden.

Autor: Johann Wittmann

Wirkung Neuronen Akupunktur / Pixabay
Wirkung Neuronen Akupunktur / Pixabay